Kurze Beschreibung der Methode
Primäre und sekundäre Quellen
Theoretische und praktische Begründung
Darstellung der Methode
Beispiele
Reflexion der Methode
Praxiserfahrungen

3. Theoretische und praktische Begründung

Portfolios in Form von Mappen sind in künstlerischen Fächern schon lange in Gebrauch. Hier ist es offensichtlich, dass eigene Werke gefertigt werden müssen und daher zur Beurteilung von Lernleistungen heranzuziehen sind. In Fächern oder Gebieten, in denen überwiegend nach bestehenden Lehrwerken oder Schulbüchern gearbeitet wurde, kam man hingegen kaum auf die Idee, die Lerner selbst etwas fertigen zu lassen. Gleichwohl gab es schon vor 100 Jahren erste Ansätze in der Reform­pädagogik, Schulbücher abzuschaffen und durch ein gezieltes Lernmaterial für Lerner zu ersetzen, in dem diese auch eigene Lernergebnisse dokumentieren konnten. Insbesondere bei Freinet und seinen freien Texten, die dann mit der Druckerei dokumentiert wurden, lässt sich eine Frühform des Portfolios erkennen.

In systematischer Sicht lassen sich Portfolios insbesondere auf pragmatische und konstruktivistische Ansätze zum Lernen zurückführen. Wegbereitend war hier John Dewey, der in seiner Pädagogik davon ausgegangen ist, dass alles Lernen bei Problemsituationen beginnt, auf die ein Lerner emotional und dann auch intellektuell reagiert. Solche Situationen müssen Lerner herausfordern, sie sollten hinreichend offen im Ergebnis sein und eine Auseinandersetzung lohnen, sie sollten nicht bloß nachahmend erworben werden und nicht bloß mechanisch zu bewältigen sein, d.h. eine hinreichende Komplexität besitzen. Damit sind Anforderungen an Lernmethoden genannt, die auch für Portfolios gelten.

Allerdings ist es heute schwierig, Portfolios genau zu definieren. Im englisch­sprachigen Raum, wo Portfolios am meisten verbreitet sind, lässt sich eine Vielzahl von Varianten erkennen. Es gibt sehr verschiedene Arten von Portfolios, die je nach Zweck und Thema, Fach und Auswertungszusammenhang variieren. Verbreitet haben sich Portfolios seit Ende der 8oer Jahre in einer sehr stürmischen Entwicklung zunächst in den USA. Unter den Stichwörtern „Portfolio“ oder „Portfolio Assessment“ findet man eine Fülle an Büchern, Zeitschriftenartikeln und Internetdarstellungen.

Dabei zeigte es sich, dass Portfolios gerne als eine alternative Methode der Leistungsbeurteilung eingesetzt wurden. Man wollte und will einerseits gegen eine stichprobenartige, bloß punktuelle und oft oberflächlich bleibende Kontrolle von Leistungen angehen, andererseits aber auch die Eigenständigkeit und Selbst­einschätzung der Lernenden stärker berücksichtigen. Da Portfolios beide Perspektiven erreichen lassen, kam es zu einer sehr schnellen und breiten Verbreitung in jenen Schulsystemen, die Wert auf ein aktives Lernkonzept und eine Evaluationskultur legen. Der deutsche Sprachraum zeigt sich bis heute hier als eindeutig rückständig!

Wesentliche Ziele der Portfolio-Arbeit sind hierbei:

 

  • Eine Dokumentation erbrachter Leistungen, um den Sinn von Lernproduktionen durch Präsentation zu veranschaulichen.
  • Die Ermöglichung der Auswahl eigener Lernresultate und deren systematische Reflexion, um die Lern- und Methodenkompetenz zu erhöhen.
  • Eine Veränderung der Leistungsbeurteilung, um die Gültigkeit der Bewertung zu verobjektivieren, indem der Lerner aktiv in die Auswahl und Interpretation seiner Lernfortschritte eingreifen und diese dokumentieren kann.
  • Eine Verbesserung des Unterrichts, indem nicht nur sporadisch und gezielt für Klassenarbeiten gelernt wird, sondern kontinuierlich Lernfortschritte ausge­wiesen und reflektiert werden.
  • Eine Verbesserung der Möglichkeiten, Bewertungen auch beim Einsatz von handlungsorientierten Methoden sinnvoll vornehmen zu können.
  • Eine Erhöhung der Chancen, Bewertungen auf besondere Formen individueller oder kollektiver Leistungsbeurteilung abstimmen zu können, diese mit Ziel- und Fördergesprächen zu verbinden und dabei insgesamt eine gute Feedbackkultur zu entfalten.

 

Heute wird die Portfolio-Methode im englischen Sprachraum bereits zu den klassischen Methoden gezählt, die sowohl in der Schule als auch der Hochschule und beruflichen Bildung einen festen Raum einnimmt. Es gibt erfolgreiche Anwendungen für alle Themengebiete und Alterstufen.

Portfolios wurden insbesondere aus der Sicht einer konstruktivistisch orientierten Lerntheorie entwickelt. Hier wird erkannt und vorausgesetzt, dass Lerner sich in einem aktiven Handlungsprozess ihr Wissen re/de/konstruieren und die Welt nicht einfach abbilden. Insoweit erscheint es als sinnvoll, die eigenen Versuche von Weltaneignung als Konstruktion verschiedener Versionen von Wirklichkeiten zu dokumentieren und auf ihre Viabilität (Passung für mich und andere) hin zu reflektieren. Dabei sollte eine solche Reflexion aber nicht allein selbstbezüglich oder bloß subjektivistisch bleiben, sondern immer wieder auf Verständigungs- und Verständnisprozesse mit anderen (der Klasse oder anderen Sichtweisen, wie sie z.B. wissenschaftlich vertreten werden) bezogen sein. Es gehört zu den Aufgaben der Lehrenden, nicht nur ein individuelles Portfolio über die Lerngegenstände und den Lernprozess anzuregen und im Dialog mit den Lernern zu bewerten, sondern auch Impulse für eine interaktive Verständigung über Perspektiven und Ergebnisse zu setzen und gemeinsam mit den Lernern zu reflektieren. Dabei wird allerdings darauf zu achten sein, dass Portfolios eben keine Dokument­mappen sein sollen, in die vorgegebene Arbeitsblätter bloß abgeheftet werden, sondern dass in ihnen hinreichend Platz für den Lerner bleibt, eigene Wege zu gehen und diese darzustellen.

Portfolios sind insbesondere aus praktischen Erfahrungen heraus begründet und verfeinert worden. Dabei sollen mittels Portfolios vorrangig folgende Aufgaben gelöst werden:

  • eine kontinuierliche Sammlung und Reflexion von Arbeitsergebnissen, die fortlaufend oder abschließend sein kann;
  • eine möglichst multidimensionale Sammlung von Ergebnissen, die der Breite und dem Umfang und der Tiefe des Lernprozesses entspricht;
  • eine möglichst multimodale Sammlung von Ergebnissen, die den vielfältigen Methoden des Lernens entsprechen sollte;
  • eine eigenständige Reflexion des Lerners und der Lerner untereinander jeweils in Verbindung mit den Lehrenden/Ausbildenden, wobei auf den gesamten Lernprozess in kognitiver und emotionaler, in individueller und kooperativer Hinsicht und in Bedeutung für die Inhalts- und Beziehungsseite eingegangen wird.

Auch wenn sich vor dem Hintergrund dieser allgemeinen Aufgaben einzelne Portfolios noch unterscheiden mögen, so verfolgen sie im Blick auf die Dokumentation von Lernprozessen in der Regel immer folgende Ziele:

 

  • in Portfolios sollen wesentliche Elemente und Zusammenhänge einer Ausbildung oder eines Studiums möglichst kontinuierlich erfasst, abgebildet und überprüft werden;
  • dabei muss die Breite des Lernens berücksichtigt, der Grad und die Unterschiedlichkeit von erworbenen Kompetenzen hinlänglich erfasst und dokumentiert werden;
  • es soll keine punktuelle Prüfung erfolgen, sondern eine größere Periode des Lernens muss erfasst werden;
  • der Anwendungsbezug eines erworbenen Wissens und möglicher Transfer auf andere Fälle aus der Praxis, auf die hin ausgebildet wird, sollen nicht zu kurz kommen;
  • die Beurteilung der Dokumentation muss sich auf unterschiedliche Produkte im Portfolio beziehen, wobei die Vielfalt der Ausbildung bzw. des Studiums hier hinreichend und möglichst multimodal erfasst sein soll;
  • auch bisherige Evaluationen der Ergebnisse (Lehrende – Lernende) sollen einbezogen werden, wobei es sinnvoll sein kann, auch Evaluationen von außen einzuholen (bei öffentlichen Veranstaltungen, durch Mitlerner, andere Lehrende, Peers, Eltern).