KONSTRUKTIVISMUS :: Texte
 

 

Kurzes Wörterbuch zur konstruktivistischen Didaktik

 

  Allgemeines zum Konstruktivistischen Diskurs
 


Der Konstruktivismus ist kein einheitliches Theoriengebäude einer wissenschaftlichen Disziplin, sondern ein interdisziplinärer Diskurs verschiedener Fachrichtungen. Hier gibt es sehr unterschiedliche Konstruktivismen, wie am Beispiel der Literatur (siehe unter Konstruktivistische Didaktik Kapitel 3.3) schnell gesehen werden kann.

Der Begriff Diskurs wird hier in zweierlei Verwendung gebraucht. Einerseits beeichnet er die verschiedenen Theorien mit Begründungen und Geltungen, d.h. den Diskurs der Konstruktivismen. Andererseits steht Diskurs für bestimmte Begründungen und Geltungen, die als Regeln Aussagen hervorbringen. Dieser Diskurs beruht auf Annahmen, die aus der Erkenntniskritik des Konstruktivismus (in seiner jeweiligen Variante) abgeleitet werden. Zur erkenntniskritischen Herleitung vgl. insbesondere Reich: Die Ordnung der BLicke.

Der Konstruktivismus entwickelt Theorien des Wissens und nicht Theorien des Seins: Unter Einbeziehung kybernetischer Modelle und systemtheoretischer Überlegungen beschäftigt sich der radikale Konstruktivismus vor allem damit, wie sich Wissen und Erkenntnis unter Einbeziehung von subjektiven Bedingungen bildet. Der interaktionistische Konstruktivismus, der den Ansatz einer systemisch-konstruktivistischen Pädagogik repräsentiert und der hier vertreten wird, achtet stärker als der radikale Konstruktivismus auf einen Kulturbezug, um eine naive Übertragung von Natur auf Kultur zu vermeiden. Pädagogik wird primär als ein Kulturereignis und nicht als ein Naturprozess gesehen.

Konstruktivisten lehnen Widerspiegelungs- oder Abbildungstheorien ab. Die Welt da draußen bildet sich nicht im Menschen ab, sondern Menschen bilden sich Wirklichkeiten ein und arbeiten sie dann als Bildungsgüter aus. Dabei verfahren sie allerdings nicht willkürlich, sondern im Kontext ihrer Kulturen. Ihre Konstruktionen als Erfindungungen ihrer Wirklichkeiten werden wissenschaftlich-methodisch durch Begründungen und Geltungsansprüche sowie Verständigungen hierüber abgesichert.
Allerdings erreichen Wissenschaftler methodisch nie vollständige Einigkeit, sondern sie streiten um die Wahrheit, Richtigkeit und Wahrhaftigkeit ihrer Konstruktionen. Die Praxis aber ist der Ort, an dem sich Konstruktionen bewähren oder scheitern, in der Methoden Anerkennung oder Ablehnung finden. Allerdings ist die Praxis in der Postmoderne ein vielgestaltiger Ort mit unterschiedlichen Interssengruppen, Machtverhältnissen, Sub-Kulturen und Mainstream-Gemeinschaften, die zu unterschiedlichen Konstruktionen und Methoden führen. Der Konstruktivismus ist eine Theorie, die in eine solche Zeit der Unübersichtlichkeit zu passen scheint. Aber wir verstehen den Ansatz nicht als einen Aufruf zur Beliebigkeit, sondern zu einer umfassenden diskursiven Reflexion auf die Bedingungen von Konstruktionen, Methoden und Praxis in der Postmoderne.